Andreas Paling ist Seelsorger am Universitätsklinikum Düsseldorf. Jedes Jahr behandeln die Ärzte und Pfleger hier etwa 60.000 Patienten. Und jeder, der möchte, kann das Gespräch mit den katholischen und evangelischen Seelsorgern suchen. „Wir sind wie die Nadel im Heuhaufen“, sagt Paling. „Aber trotzdem präsent.“ Ganz besonders jetzt wollen sie es sein.

Die Seelsorger kümmern sich um Menschen, die schwerkrank sind, im Sterben liegen, eine erschütternde Diagnose bekommen haben, aber auch um die Mitarbeiter des Krankenhauses. Nun betreuen sie auch Patienten, die am Coronavirus erkrankt sind. Kittel und Atemschutz, Brille und Handschuhe müssen sie in einer langwierigen Prozedur anlegen, um die Schleuse zur Corona-Station zu durchqueren und bei den Treffen geschützt zu sein. „Wie ein Marsmännchen geht man dann zum Patienten“, sagt Ulrike Sünner von der evangelischen Klinikseelsorge.

Was die Patienten quält – und das betrifft nicht nur Covid-19-Erkrankte – ist die Isolation. Wochenlang galt ein striktes Besuchsverbot in der Uniklinik. „Die meisten leiden weniger unter der Erkrankung als unter der Einsamkeit“, sagt Ulrike Sünner. Die Gespräche, die sie führt, seien intensiver geworden, durchzogen von Sinnfragen. „Die Situation ist bedrohlich“, sagt Andreas Paling. „Man wird als Mensch mit Grenzen und Endlichkeit konfrontiert.“

Nicht alle Patienten, mit denen sie sprechen, sind Kirchgänger. Der typische rheinische Katholik, sagt Paling, ist getauft, aber nicht gläubig. Andere sind aus der Kirche ausgetreten, glauben aber an Gott. Einige bezeichnen sich als Atheisten, wiederum andere sind eher mystisch veranlagt. „Jeder Patient ist eine Wundertüte“, sagt Paling. Und sie alle dürfen das Gespräch mit den Seelsorgern suchen. Das ist durch die Corona-Beschränkungen jedoch weitaus schwieriger geworden. Zufällige Begegnungen bei Rundgängen auf den Stationen, die sonst ein wichtiger Teil der seelsorgerischen Arbeit sind, fallen jetzt weg. Wer Hilfe braucht, muss danach fragen.

Manchmal sind es auch Angehörige, Ärzte oder Pfleger, die nach der Hilfe fragen, wenn sie glauben, dass es dem Patienten gut tun würde. Wenn der Geistliche dann das Krankenzimmer betritt, ahnen viele Böses. „Herr Pfarrer, ist es schon so weit?“, fragen Patienten immer wieder. „Sie denken direkt an die Krankensalbung kurz vor dem Tod“, sagt Paling. Dabei will er nur reden.

Wenn Andreas Paling und Ulrike Sünner mit Kranken sprechen, stellen sie sich vor, fragen, wie es dem Patienten im Haus geht. Meist entwickelt sich schnell ein Gespräch. Ziel ist es, einen heilsamen Kontakt herzustellen, sagt Paling, wie auch immer der aussehen mag. Mal geht es um Sinnfragen, mal ums Krankenhausessen. Ulrike Sünner lacht und singt gerne mit Patienten, vor allem auf der Palliativstation. Dort, wo die Menschen auf ihrem letzten Lebensweg begleitet werden. Dann nimmt sie ihre Musikbox mit und lässt Lieder laufen, die die Alten kennen, summt und singt zu den Volksliedern, aber auch Geistlichem wie „Befiehl du deine Wege“.

Auch die Gespräche mit Klinik-Mitarbeitern, mit Ärzten und Pflegern, haben zugenommen, berichten die Seelsorger. Zum einen, sagt Paling, hätten die Angestellten weniger Termine, da Operationen abgesagt wurden. Zum anderen sei die emotionale Belastung groß. „Mir standen schon Pflegerinnen gegenüber, die gesagt haben: Ich wär bald depressiv geworden.“

Um erreichbar zu sein, haben die Klinikseelsorger eine ökumenische Rufbereitschaft eingerichtet. Sie planen auch, einen Stand auf dem Klinikgelände aufzubauen, sodass zufällige Begegnungen wieder möglich werden für alle, die sich sonst nicht an die Seelsorge wenden würden.

Pfarrer Paling hält weiterhin Gottesdienste in der Heilig-Geist-Kirche auf dem Klinik-Gelände. Zwar ohne Besucher, dafür aber mit Übertragung in die Krankenzimmer. In einer Predigt hat er nun auch die Offenbarung des Johannes aufgegriffen. Der Trost in der Apokalypse. „Vielleicht klopft es ja auch in der Corona-Krise bei uns an“, sagt der Pfarrer. Es sei in jedem Fall jemand da.

 

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